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Pooling-Dienste bekommen rechtliche Grundlage

Aktualisiert: 21. Juni 2023

Nach langen und zähen politischen Verhandlungen hat der Bundesrat am 26. März 2021 einer Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zugestimmt. Die Ursprungsversion des Gesetzes stammt in den Grundzügen noch aus dem Jahr 1964 und wurde zuletzt vor über 30 Jahren erneuert. Es kommt also aus einer Zeit, in der ausschließlich Taxis sowie klassische Busse und Bahnen Personenbeförderungen anboten. Mittlerweile ist die Angebotspalette um einige Produkte gewachsen. Ridepooling- und andere digitale Fahrdienste bekommen mit der Novelle nun erstmals einen gefestigten Rechtsrahmen und müssen nicht länger unter der zeitlich befristeten Experimentierklausel ihr Angebot offerieren. Es ist eine rechtliche Grundlage geschaffen worden, welche digitale Geschäftsmodelle im Nahverkehr ermöglicht und zugleich regulierend auf sie wirkt, um den klassischen ÖPNV nicht zu schwächen.


Der ÖPNV wird um den sogenannten Linienbedarfsverkehr erweitert, mit dem lokale Verkehrsunternehmen flexibel auf hohe oder niedrige Nachfragen reagieren können. In ländlichen Räumen existieren schon seit einigen Jahren sogenannte Rufbusse oder Anruf-Sammel-Taxis, die dem Prinzip ähneln. Neu ist die frei wählbare, bzw. von einem Algorithmus gesteuerte Routenführung sowie Unabhängigkeit von einem Fahrplan. Werden solche benutzerorientierten Fahrdienste wie das Ridepooling außerhalb des ÖPNV angeboten, sind sie fortan unter der neugeschaffenen Kategorie des gebündelten Bedarfsverkehrs genehmigungsfähig. Im Gegensatz zum ÖPNV sind sie grundsätzlich jedoch von der Beförderungs- oder Tarifpflicht ausgenommen. Allerdings wurden den Genehmigungsbehörden bzw. Aufgabenträgern umfassende Steuerungsmöglichkeiten zugesprochen. Sie können nun u.a. Vorgaben zu Poolingquote*, Höchstbeförderungsentgelte oder der Rückkehrpflicht machen. Auch für den Mietwagenverkehr, bei dem die Rückkehrpflicht für auftragslose Fahrzeuge aus Rücksicht zum Taxigewerbe weiterhin bestehen bleibt, wurden stärkere Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen vereinbart: analog zum Pooling dürfen Mietwagen stärker reguliert werden, wenn in Städten mit mehr als 100.000 Einwohner*innen der Mietwagenanteil mindestens 25% ausmacht. Den Kommunen kommt also eine zentrale Rolle bei der praktischen Ausgestaltung der neuen Verkehrsformen zu.


Grundsätzlich ist die Novelle des PBefG zu begrüßen. Es ist gut, dass plattformbasierte und digitale On-Demand-Verkehre nun neben Taxi und Mietwagen zum weiteren Bestandteil des öffentlichen Verkehrs werden. Dieser Schritt war lange überfällig, schließlich werden solche flexiblen Angebote insbesondere in Städten schon seit längerer Zeit genutzt und standen rechtlich viel zu lange auf wackeligen Beinen. Die Bedarfsverkehre besitzen großes Potential, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Dass den Kommunen bei der Ausgestaltung der Angebote maßgebliche Steuerungs- und Regulierungsmöglichkeiten zugesprochen wurden, ist zum Schutz des ÖPNV durchaus sinnvoll. Allerdings wird es die ohnehin schon dünn besetzten Behörden und Ämter vor neue personelle und inhaltliche Herausforderungen stellen, was die Umsetzungsfähigkeit der Maßnahmen zumindest fraglich erscheinen lässt.


Aus ökologischer Sicht lässt sich über das Festhalten an der Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen sicherlich streiten. Leerfahrten zum Betriebssitz können nicht nachhaltig sein. Immerhin ist es den Anbietern gestattet, mehr als einen Betriebssitz anzugeben, sodass die Rückfahrten verkürzt werden. Aus sozial-ökonomischer Perspektive ist die Rückkehrpflicht jedoch nach wie vor von Relevanz, da sie den ÖPNV vor einem unfairen Wettbewerb schützt und insbesondere vom Taxi abgegrenzt wird, welches Beförderungs- und Tarifpflichten einzuhalten hat.


Eine deutlich größere Bedeutung wird die Novelle in Kombination mit dem Gesetz zum autonomen Fahren bekommen, welches möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Eine Einschätzung zu dem Gesetzesentwurf könnt ihr hier nachlesen.

*Anteil der geteilten Fahrten (mehr als eine Person im Fahrzeug) mit Zustiegen der Fahrgäste an unterschiedlichen Haltestellen. Die Quote beschreibt das Verhältnis von Fahrzeugkilometern zu Personenkilometern.

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