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KEP-Dienste in Deutschland – Teil 3: Corona-Krise & Nachhaltigkeit

Aktualisiert: 21. Juni 2023

In Teil 2 unserer großen Reportage zum Thema KEP-Dienste in Deutschland haben wir die vielen Herausforderungen der Kurier-, Express- und Paketdienstleister analysiert. In diesem dritten und letzten Teil gehen wir nun auf zwei weitere Aspekte ein: Die Veränderungen in der KEP-Branche während der Corona-Krise sowie das Thema Nachhaltigkeit beim Paketversand und auf der letzten Meile.


Im März 2020 verändert COVID-19 die Lebenssituation vieler Menschen, Unternehmen und Einrichtungen. Das zunächst in China aufgetretene Corona-Virus verbreitet sich schnell weltweit. Um die Ausbreitung zu verlangsamen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, werden zahlreiche Eingriffe in die privaten Freiheiten der Bevölkerungen unternommen. Zunächst schließen Schulen und Kitas, später dann Restaurants sowie alle nicht systemrelevanten Geschäfte. Offen bleiben vorwiegend nur Supermärkte, Apotheken und Tankstellen. Vor allem muss bei Aktivitäten in der Öffentlichkeit ein Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern zwischen Personen eingehalten werden.


Diese Eingriffe verändern auch viele Vorgänge in der Branche der KEP-Dienste. Für die klassischen Dienstleister wie DHL oder UPS kommt es aufgrund von teilweise geschlossenen Paketshops zu neuen Herausforderungen in der Krisensituation. Zahlreiche Anbieter suchen nun nach studentischen Aushilfskräften für die zusätzlich anfallenden Auslieferungsfahrten. Glück im Unglück ist, das aufgrund der Pandemie auch der Semesterstart verschoben wird, sodass sich die Studierenden noch in den Ferien befinden.


Kontaktlose Übergabe

Die meisten KEP-Dienste stellen die Zulieferung dahingehend um, auf die Kundenunterschrift beim Empfang des Pakets zu verzichten. Die sogenannte Abstellerlaubnis, also das Hinterlegen von Paketen an einem Wunschort, gewinnt massiv an Bedeutung. So wird der direkte Kontakt zwischen den Zusteller*innen und Empfänger*innen vermieden und die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Übertragung des Virus sinkt.


Während der Krise verzeichnen die Dienstleister deutlich mehr Pakete im Privatkundenbereich, gleichzeitig jedoch weniger Pakete von Business-Kund*innen. Beim Online-Händler Amazon führt die Corona-Krise zu einer Umstellung des Sortiments im Lager (z. B. mehr Hygieneartikel) und zu einer Priorisierung bei der Auslieferung. Diese Anpassungen haben dazu geführt, dass einige Lieferzusagen vorübergehend länger als üblich sind, weil dringend benötigte Güter bevorzugt versendet werden (Quelle).


Noch mehr Lieferverkehr

Zwar ist das persönliche Einkaufen weiterhin möglich, jedoch steigen viele Menschen auf die Lieferung von Lebensmitteln um. Während früher Bequemlichkeit (kein Schleppen der Einäufe) und Zeitersparnis als Differenzierungsmerkmal für E-Food galt, ist derzeit vor allem die Vermeidung des Kontakts mit der Außenwelt das entscheidende Kriterium. Jedoch sind die Online-Anbieter auf diesen Ansturm nicht eingestellt. Zunächst werden die klassischen Filialen und nicht die Online-Kundschaft in der Lieferung priorisiert. Das ist vor dem Hintergrund leerer Regale durch panikartige Hamsterkäufe auch nachvollziehbar. Die Lieferzeitfenster bei der Onlinebestellung sind weit im Vorhinein ausgebucht. Weiterhin kommt es zu Performance-Probleme der Shops und es werden teilweise virtuelle Warteschlangen eingerichtet. Lieferzeiten wachsen auf Angaben zwischen 12 und 25 Tagen an, was in der Lebensmittellieferung schlicht inakzeptabel ist.


Der Online-Supermarkt Picnic verzeichnet zu Beginn der Krise eine Auslastungszunahme von 50 Prozent und führt ab April auch Zustellungen am Sonntag (inkl. frischer Lebensmittel) ein. Um vor allem medizinisches Personal zu unterstützen, wird für den zusätzlichen Liefertag eine „Special Care Liste“ angelegt. Auch in diesem Bereich sucht man nach Aushilfen in Form von studentischen Mitarbeiter*innen, um die nachgefragten Waren auch ausliefern zu können.


-> Das Corona-Virus macht deutlich, dass der stationäre Handel und auch der Online-Handel stark von der Logistik abhängig ist. Sie bleibt auch zukünftig das Nadelöhr.


Nachhaltigkeit in der KEP-Branche

Ein weiteres großes Problem ist der durch den zunehmenden Online-Handel wachsende Verpackungsmüll. So verbrauchte im Jahr 2017 allein in Deutschland jeder Bundesbürger 227 Kilogramm Verpackungsmaterial wie Glas, Papier, Kunststoff oder auch Metall. Durchschnittlich erhält jeder Deutsche 24 Pakete pro Jahr. Die meisten Versandverpackungen wandern nach der Zustellung direkt in die Mülltonne.


DHL hat sich das Thema Nachhaltigkeit groß auf die Fahnen geschrieben. Der Konzern setzt dabei unter anderem auf „near sourcing“ (Produktion näher am Endkunden), CO2-neutrale Warenlager, Solarmatten bei den Transportern sowie Packroboter. Letztere sorgen für weniger Verbrauch an Verpackungsfolie und das entfernen überschüssige Kartonage, was wiederum für einen geringeren Verbrauch an Füllmaterial sorgt.


Weit mehr als nur Pappe

Verpackungen sollen vor allem das Gut während des Transports bei Stößen und vor Feuchtigkeit schützen. Darüber hinaus gibt es Anbieter*innen, die nachhaltig produzierte Verpackungsmaterialien herstellen. So produziert die BioBiene Kartonagen nicht aus Holz, sondern aus Gras. Weiterhin werden auch Versandtaschen aus Graspapier, plastikfreie Papierpolstertaschen, Noppenpapier, Nassklebebänder, styroporfreie Thermoboxen und Paletten aus Hartfaser produziert.


Das Umweltbundesamt weist darauf hin, dass Güter gebündelt transportiert werden sollen, um Verpackungen zu vermeiden. Weiterhin sollten Verpackungen dahingehend geprüft werden, ob sie mehrfach verwendet werden können. Eine Überlegung, um die Mehrfachverwendung zu fördern, ist ein Pfandsystem für Kartons ähnlich dem der Mehrwegflaschen. Das finnische Start-up RePack geht dieser Idee mit aus recyceltem Polypropylen bestehenden RePacks nach. Die RePacks werden einfach mit der Post zurück zum Versender geschickt und können so mindestens 20 Bestellzyklen im Einsatz sein.


Intelligente Versandbox

Das Start-up Livingpakets entwickelt eine Box aus geschäumtem Polypropylen. Diese Box kann bis zu 1000-mal verwendet werden und hat den charmanten Vorteil einer Internetverbindung, über die man den Versand per App verfolgen kann. Eingebaute Sensoren und eine Kamera liefern zusätzlich Informationen zum Zustand des Paketinhalts. Ein digitales Display zeigt die Zieladresse an.


Ein weiterer Vorteil dieser Box ist, dass zusätzliches Verpackungsmaterial (z.B. Klebeband, Füllmaterial) entfällt, da es ein am Paketboden verspanntes Netz sowie ein wiederverschließbares Schloss gibt. Als Geschäftsmodell strebt man hier einen Verleih der Paketbox an, das sogenannte Packaging-as-a-Service. Das Paket soll von Kundinnen und Kunden einfach beim nächsten Paketshop abgegeben werden, damit es dieser zurück an den Händler senden kann. Und genau dieser letzte Schritt ist für den Kund*innen unbequem und könnte den Erfolg des Systems verhindern (Quelle).


Doch auch im Lebensmittelsektor experimentieren Händler*innen mit plastikfreien Verpackungen. Rewe und Edeka testen eine aufsprühbare Schutzschicht aus Pflanzenmaterial für Obst und Gemüse. Die Schutzschicht sorgt für eine geminderte Zellatmung und hält so die Früchte länger frisch. Obwohl die Schutzschicht geruchlos, geschmacksneutral und essbar ist, werden bisher nur Früchte überzogen, deren Schale nicht zum Verzehr (z.B. Avocado, Mandarinen, Orangen, Pomelo, Mango) geeignet ist (Quelle). Weiterhin gibt es natürlich etliche Entwicklungen hin zu einer lokalen Produktion, um längere Transportwege zu vermeiden.


Fazit: Es fehlen ganzheitliche Konzepte

Es gibt viele Ansätze, um die KEP-Logistik auf der letzten Meile zu verbessern. Einige kommen dem Wunsch nach, die Sendung zu erhalten, während man selbst nicht anwesend ist. Hierzu gehören unter anderem Lieferdrohnen, Paketstationen oder auch die In-Car-Delivery. Andere Ansätze sollen lokale Emissionen mindern, beispielsweise durch elektrische (und autonome) Lieferfahrzeuge und Lastenfahrräder. Dennoch wächst der Lieferverkehr immer weiter an und belastet die ohnehin schon staugeplagten Städte zusätzlich.


Eine Lösung hierfür wären regionale Logistikanbieter, die innerhalb ihres Einsatzgebietes alle Waren gebündelt ausliefern. Und das im Sinne der Nachhaltigkeit in standardisierten Mehrwegverpackungen. Hierfür könnten Lizenzen von den Dienstleistern für bestimmte Regionen erworben werden. Deutlich wahrscheinlicher sind allerdings anbieterübergreifende Paketstationen im öffentlichen Raum, die von mehreren oder allen KEP-Dienstleistern angefahren werden. Auf bereits vorhandenen Parkplatz-Flächen ließe sich dieses Modell relativ schnell und kostengünstig umsetzen.

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Unser Dank gilt dem Gastautor Toni Opl von der Choice GmbH

Titelfoto © Mick Haupt, Unsplash

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